Ein wertvoller Zeitgenosse "Eine schöne Leich"beerbt immer die nutzlosen Nutznießer !

"Eine schöne Leich", wie der Mensch in Oberbayern folgenden Exzess umschreibt:

Vor dem Friedhof trifft sich die trauernde Verwandtschaft; so manches Papiertaschentuch wird wegen reichlich fließender Tränen seiner ordnungsgemäßen Bestimmung zugeführt, während in Gedanken (leise Trauermusik von der Beerdigungskapelle ist zu hören) bereits das Erbe des verstorbenen Onkel Herbert verteilt wird. Vetter Hermann und Bruder Thomas, die schon seit Jahren die Straßenseiten wechseln, sollten sie sich aus Versehen in der Stadt treffen, versichern sich gegenseitig ihre tiefe Trauer, während Tante Hermine spitz bemerkt, dass Cousine Rosalie ihren Bauch wohl nicht alleine vom Essen und Trinken bekommen habe. Nachdem leiser Schneefall einsetzt, machen die in weiser Voraussicht mitgeführten Flachmänner verstohlen die Runde, was jedoch zur Folge hat, dass Onkel Maximilian ("So eine Schande !") beim letzten Gruß gerade noch vor dem Sturz in das Grab bewahrt werden kann. Vereinzelt hörbares Gekicher wird unter den bösen Blicken der anwesenden weiblichen Verwandtschaft krampfhaft unterdrückt.

Wer meint, nun sei das Schlimmste überstanden, hat sich in seinem Leben noch nie so furchtbar getäuscht.

In der Gastwirtschaft werden nun, noch bevor die Suppe serviert wird, schon die ersten Weizenbiere und Schnäpse geordert, um den nun fälligen Smalltalk einigermaßen ohne Schaden an Körper und Geist zu überstehen. Jetzt segelt im Bewusstsein ihrer knapp zwei Zentner Tante Genoveva durch den Saal und "erfreut" Dich mit den seit Deiner Kindheit verhassten, vor Feuchtigkeit triefenden Wangenküssen.

                "Mei, bist groß gwordn, Bua, lernst aa fleissig auf'd Schui ? Dusd aa die Lehrer                     schee folgn ?"

                "Ja, Tante, ich arbeite gerade für meine Diplomarbeit."

Die soeben servierte Suppe erspart Dir weiteres Gschmarr und Du sitzt neben liebenswürdigen Leuten, die Du das nächste Mal frühestens zu Deiner eigenen Beerdigung treffen willst.

Nach dem Mittagessen (erwähnte ich schon die reichlich bestellten und ordentlich vernichteten Verdauungshilfen ?) erreicht die Stimmung ("Egon ! Du trinkst jetzt keinen Schnaps mehr !" - "Auf einem Bein steht's sich aber schlecht ! Noch einen bitte !") den ersten Höhepunkt. Während des Kaffeetrinkens, bei dem Dir Dein kleiner Neffe ("Ist er nicht ein goldiges Kind ?") unbemerkt Ananassahnetorte auf den neuen Anzug kleistert, da Du Dich lieber mit der hübschen, langhaarigen Tochter eines entfernteren Onkels unterhältst; das Du ansonsten aber schadlos überstehst und schon aufs Beste hoffen willst, nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Um die lange Zeit bis zum Abendessen nicht zu vergeuden, haben entgegen dem Willen ihrer Ehefrauen vier Hartgesottene begonnen, Schafkopf zu spielen. Die erste Ramschrunde wird (mit logisch folgendem doppelten Obstler) unter raunendem Getuschel vieler Anwesender dem ja herzlich geliebten Herbert gewidmet, "der den Obstler bestimmt auch nicht hätte alt werden lassen !".

Währenddessen ertönt an einem anderen Tisch keifendes Getöse; da sind sich wohl Tante Margot und Cousine Griseldis in die kaum noch vorhandenen Haare geraten. Weil jedoch begonnen wird, das reichliche Abendessen zu servieren, ist der beginnende Streit aufgeschoben, aber noch lange nicht aufgehoben.

Abgesehen von einem verschütteten Weißbier, welches Onkel Maximilian übereifrig vom Tisch und drei gegenüber Sitzenden in den Schoß fegte, bleibt das Mahl ohne weitere Folgen.

Doch schon beim Dessert keift Margot, "Das kleine kreischende Etwas", dass Griseldis' Nachspeise reichlicher als ihre eigene ausgefallen sei und ob sie selbst hier belogen und betrogen werde. Griseldis, mit der Figur einer venezianischen Galeasse gesegnet, will gerade zornig antworten, als lautstarkes Gelärme, verbunden mit Gläserklirren, aus der Ecke der Kartbrüder alles übertönt.

                "Wie koosdn Du a Sau schbilln mid ohna Drümbf, Du Kaschbä !"

                "Hoid Dei bleeds Mai, Breiss, damischer !"

                "Saudackel ! Hends ihr im Urwald immer um Nüss kart ?"

                "Vuordammisch nuch emmah ! Nu grachds a glei !"

Während sich nun eine zünftige Wirtshausschlägerei entwickelt und die Perücke von Tante Margot wie ein Rehpinscher unter Speed über den abgeräumten Kartentisch segelt, verlässt Du dann besser die Trauernden; nicht ohne zu bemerken, dass sich Hermann und Thomas, bewaffnet mit je einer Gurkenzange und Tortenschaufel, hochroten Kopfes und mit aufgekrempelten Ärmeln gegenüberstehen; Onkel Maximilian, sauber betrunken und mit halb offenem Hemd, "Die Fahne hoch !" grölt und ganz nebenbei und unbemerkt Kevin, Dein "ach so süßer Neffe", dank vier Portionen Nachtisch und einem Glas Kirschlikör, den er Genoveva heimlich weggetrunken hatte, überwältigt von Alkohol und Übelkeit, sich in die linke Jackentasche Deines Anzugs erbrochen hat; instinktiv wissend, dass gerade und exakt dort Deine Autoschlüssel, Deine Ausweispapiere sowie Dein Handy untergebracht waren.

Du begibst Dich langsam zum Ausgang; vorsichtig, damit Du nicht wegen des verschütteten Kartoffelsalats ausrutscht. Gelassen weichst Du einem tieffliegenden Weizenglas aus und vergisst trotzdem nicht Alfons, einem Deiner Lieblinksonkels, beiläufig und unauffällig mit dem Feuerzeug ein paar Löcher in die Anzugjacke zu brennen. Während von weitem das tatü-tata der alarmierten Polizeistreifen wahrzunehmen ist, musst Du insgeheim doch, voller Stolz auf Dich und Deine bucklige Verwandtschaft, zugeben: "Des war a schööna Leich !"